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Vorwort zum Band 1 der Schriftenreihe von FAMILIA AUSTRIA, Österreichische Gesellschaft für Genealogie und Geschichte


Es ist eine spannende Frage, wie unsere heutige Zeit später einmal genannt werden wird. Was ist so nachhaltig prägend, daß es in mehreren Jahrzehnten als charakteristisch für diese Jahre angesehen werden wird?

Eine der möglichen Antworten lautet "Internet – Zeitalter". Dieses verändert unser Leben ja dramatisch. Erkennbar, aber auch so ganz nebenbei, "auf leisen Pfoten", revolutioniert es unsere Arbeitswelt, unser Privatleben – einfach fast alles. Heute, nur 21 Jahre nach seiner allgemeinen Freigabe (davor war es nur auf US-Universitäten beschränkt), nutzen es etwa zwei Milliarden Menschen weltweit, in Österreich sind es bereits rund ¾ aller Einwohner.

Das Internet hat unsere Kommunikations- möglichkeiten gewaltig erweitert, den "guten alten" geschrieben Brief zur Ausnahme- erscheinung gemacht und knabbert selbst am gewaltigen globalen Markt der Mobiltelefonie. Globale Internetforen wie Facebook, Twitter usw. haben hunderte Millionen von Teilnehmern – und sind ein glänzendes Geschäft für die Betreiber. Das Netz verbindet mühelos, blitzartig und mit vergleichsweise lächerlichen Kosten Länder und Kontinente. Es ist, da kaum zentral beherrschbar, der Albtraum aller politischen und sonstigen Zensoren. Wenn eine Firma heute nicht im Internet vertreten ist, gerät sie in Verdacht nicht (mehr) zu existieren.

Die Auflagen der gedruckten Zeitungen und Magazine gehen kontinuierlich zurück, die Zugriffe auf Internet-Medien wachsen rasch an. Auch Millionen von Büchern sind bereits im Netz lesbar. Schon wird darüber spekuliert, ob das Netz das gedruckte Wort völlig verdrängen wird. Und hier sind wir, meiner Meinung nach, auch schon bei den Schattenseiten des Internet angelangt. Denn gedruckte Zeitungen, Magazine, Bücher, Landkarten, Dokumente und Fotos bzw. handgeschriebene Texte haben eine ungleich längere "Lebensdauer" als elektronische. Letztere muß man alle paar Jahre auf neue Programme und Datenträger adaptieren um sie zu erhalten. Das gedruckte Wort aber ist – ohne besondere Maßnahmen – über mehrere hundert Jahre existent. Es gibt Papier-Bücher aus dem Mittelalter und jeder Buchliebhaber besitzt wohl zumindest Bücher aus dem 18. Jht. Das älteste in Mitteleuropa erhaltene Papier-Dokument stammt aus dem Jahr 1228. Welche von unseren elektronischen Texten werden in weiteren 800 Jahren noch verfüg- und lesbar sein?

Gerade unsere Arbeit als Genealogen hängt untrennbar von den verfügbaren Quellen ab. Die mündlichen Überlieferungen reichen in der Regel nur mehr 100 – 150 Jahre zurück und sind zudem oft fragwürdig. Egal ob Kirchenmatriken, Grundbücher, Dokumente, Bücher – unsere Arbeit basiert zu 95% auf geschriebenen oder gedruckten Quellen. Man denke nur an unsere Projekte zur Erfassung von Sterbelisten aus altösterreichischen Städten, man denke an unsere Projekte zur Erfassung der Kirchenbücher usw. Ohne diese langfristig existenten Papier-Quellen wäre unsere Arbeit unmöglich.

Trotzdem wird weiter munter auf elektronische Texte umgestellt, deren Verfügbarkeit in 30 – 40 Jahren zweifelhaft ist.

Besonders kraß ist das bei den Fotos. Die Digitalkameras haben die Rollfilm-Apparate längst verdrängt. Fotos werden heute zum überwiegenden Teil am Bildschirm betrachtet und kaum noch auf haltbarem Fotopapier ausgedruckt. Das Fotowesen in Mitteleuropa ist 160 Jahre alt – und in vielen Familien gibt es, sorgsam gehütete, Aufnahmen von Vorfahren bis weit ins 19. Jht. zurück. Wieviele unserer heutigen digitalen Fotos werden in 100 Jahren noch verfügbar sein?

Ein Extrembeispiel sind auch die Nachschlagewerke. Die 21. Auflage der Brockhaus – Enzyklopädie aus 2005-2006 war die letzte im deutschsprachigen Raum, die noch gedruckt worden ist. Künftig wird alles nur mehr elektronisch stattfinden. Nur, wie lange werden diese CDs und DVDs funktionieren? Und wie lange wird es Computerlaufwerke dafür geben?

Meine Brockhaus „Real-Encyklopädie“, 8. Auflage, aus 1833–1837 "funktioniert" noch immer problemlos. Das Trägermedium Papier ist zwar an wenigen Stellen ein wenig vergilbt und dort wo frühere Besitzer Blumen gepreßt haben, finden sich heute Flecken, aber es ist auch nach 170 Jahren uneingeschränkt benützbar – zu 100% lesbar.

Noch ein Aspekt erscheint mir erwähnenswert: Zum Lesen gedruckter und handgeschriebener Texte braucht man lediglich Tageslicht oder eben eine künstliche Lichtquelle. Man kann sie immer und überall lesen, in der Straßenbahn ebenso wie auf einem einsamen Berggipfel. Elektronische Texte dagegen bedürfen zur Benutzung immer elektronischer Hilfsmittel (Hard- und Software, Strom), sind also viel störungsanfälliger. Jeder Stromausfall versperrt den Zugang.

Die Menschheit marschiert also in Richtung elektronischer Medien und unser Verein Familia Austria geht diesen Weg mit – dort wo er sinnvoll ist und eine Verbesserung bedeutet. Elektronische Datenbanken sind nuneinmal gedruckten Nachschlagewerken in den Bereichen Suchkomfort und Suchtempo weit überlegen. Um aber auch die Dauerhaftigkeit unserer Arbeit zu gewährleisten, werden wir daneben möglichst alle Resultate unserer Arbeit auch in gedruckter Form herausgeben. Natürlich werden wir zuwenig Geld haben, um beispielsweise die rund eine Million Datensätze umfassende Volldatenerfassung der Verstorbenen aus Wien 1703 – 1895 (Projekt "Wiener Zeitung") in großer Stückzahl drucken zu lassen. Aber einige Dutzend Exemplare wollen wir nach Fertigstellung dieses Projekts doch drucken lassen – damit auch noch Forscher in 200 Jahren die Früchte unserer Arbeit nutzen können.

In diesem Sinne machen wir heute mit dem ersten Band unserer Schriftenreihe einen Anfang. Enthalten sind Texte von 13 verschiedenen Autoren zum großen Bereich Genealogie und Geschichte im ehemals habsburgischen Länderkomplex in Mitteleuropa. Überregionales, Regionales, Fachliches, Sachliches, Technisches, Hilfreiches und auch ein wenig Persönliches finden Sie auf diesen Seiten. Möge es Ihnen nützen, Sie fachlich, praktisch und persönlich vorwärts bringen.

Mit freundlichen Grüßen


Günter Ofner Wien, im Juli 2011

Präsident

FAMILIA AUSTRIA

Österreichische Gesellschaft für Genealogie und Geschichte

 

PS: Unser junger Verein kann die zusätzlichen Kosten für diese Publikationen nicht alleine aus den Mitgliedsbeiträgen finanzieren.

In diesem Sinne ersuchen wir Sie um Spenden auf unser Vereinskonto:

FAMILIA AUSTRIA

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